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Der Friede von Eisingen – zwei Brüder im Deutschen Krieg von 1866

Leseprobe

Erstes Kapitel

Warum kann es keinen Krieg geben?

Was für eine Frage, dachte Georg Bender. Es gab ihn doch, den Krieg, daran konnte man nicht zweifeln. Vor nicht ganz einer Woche waren das Königreich Preußen und das Kaiserreich Österreich gemeinsam in Dänemark einmarschiert, mit dem Ziel, Schleswig und Holstein unter ihre Verwaltung zu bringen. Wahrhaftig, es gab den Krieg, Schüsse fielen, Menschen starben.

Es war Sonntag, der 7. Februar 1864. Im Gottesdienst in der heute ziemlich kalten Eisinger St.-Nikolaus-Kirche saßen die Benders, Vater Philipp und seine beiden Söhne Georg und Ferdinand, und sie hörten, wie der noch junge Pfarrer Anton Scholz in seiner Predigt diese merkwürdige Frage stellte: warum kann es keinen Krieg geben?

Vater Philipp war seit Ferdinands Geburt Witwer. Er war noch keine 50 Jahre alt, aber schon gebeugt und steif wie ein Greis, grauhaarig und mit einer tiefen senkrechten Stirnfalte über der Nasenwurzel. Georg Bender war 20 Jahre alt, Ferdinand 18 – zwei aufgeweckte junge Männer mit weichen Gesichtszügen, die auf den ersten Blick sofort als Brüder zu erkennen waren, auch wenn Georg dunkle Haare und Augen hatte und Ferdinand mittelblonde, immer verstrubbelte Haare und blaßgrüne Augen. Beide waren schlank, ein wenig schlaksig und groß gewachsen, und sie hielten und bewegten sich auf die typische Bender-Art wie ihr Vater: den Rücken leicht gebogen und mit langen, federnden Schritten, wobei der Kopf hin und her wippte. Sie machten den Eindruck von Menschen, die selbstbewusst und auf ihre eigene Art durchs Leben gingen.

Bei aller Ähnlichkeit gab es auch Unterschiede. Georg, als der ältere, war nach dem frühen Tod der Mutter zu Bedacht und Vernünftigkeit erzogen worden. Er war ein stiller, nachdenklicher Mensch, oft in sich gekehrt, oft mit gerunzelter Stirn und grüblerischem Blick, zugleich aber bodenständig und zupackend, wenn es ans Praktische ging. Ferdinand dagegen nahm das Leben von seiner leichten und lustigen Seite. Schützen- und Gesangsverein waren sein zweites und drittes Zuhause, und beim Maientanz ließen sich die Mädchen mit Begeisterung von ihm im Kreis herumwirbeln.